LA PORTA ERMETICA: Horti Lamiani

Das inzwischen auf fünf Personen angewachsene italienische Projekt La Porta Ermetica hat seit einiger Zeit eine spezielle Art italienischer (Ritual-)Musik wieder zum Leben erweckt, reanimiert. Die tiefe Verwurzelung der meisten Beteiligten im italienischen Postindustrialuntergrund der frühen 80er ließ uns zu der etwas saloppen Formulierung greifen, es handele sich um eine „Supergroup der italienischen Underground-Szene“. Weiterlesen

NOSOKOMA: Tarantos 20_24

Manchmal erscheinen Musikstücke wie Versuchsanordnungen, die nicht der Kontrolle, sondern der Hingabe verpflichtet sind. Rituale, Automatismen, Katharsis – dies sind die Eckpunkte von “Tarantos 20_24″, dem Debüt des Duos NosoKoma, bestehend aus Nicola Serra alias Il Santo Bevitore und José Macabra. Entstanden ist ein experimentierfreudiges Werk, das seine elektronischen Strukturen mit Stimmen, Rhythmen und Weiterlesen

FRITZ AND TONY: The Party’s Over

Es gibt Songs, die textlich v.a. durch ihre poetische Gestaltung ihre größte Wirkung entfalten, andere wieder – und das muss sich beides freilich keineswegs ausschließen – lassen auf kleinem Raum Geschichten entstehen, die wie Ausschnitte einer längeren Erzählung wirken und so noch lange nachhallen. In den kleinen angedeuteten Szenerien, die Fritz und Tony auf ihrem ersten gemeinsamen Longplayer Weiterlesen

L’AMBASSADEUR DES OMBRES: Star of Evil

Manchmal tauchen aus Archiven Aufnahmen auf, die nicht nur ein vergessenes Kapitel der Musikgeschichte freilegen, sondern auch ein ganzes Milieu wieder hörbar machen. “Star Of Evil” von L’Ambassadeur des Ombres gehört, ähnlich wie das bereits vor zwei Jahren wiederveröffentlichte “Strike Me If I Shriek” zu diesen Fundstücken: ein Relikt aus den späten Tagen der DDR, das gleichermaßen vom Weiterlesen

SANAM: Sametou Sawtan

Verlust, Entfremdung und die Suche nach Verankerung prägen die Texte wie auch den Klang auf “Sametou Sawtan”, dem zweiten Longplayer des furiosen libanesischen Sextetts SANAM. Der arabische Titel bedeutet im Deutschen “Ich hörte eine Stimme” – eine Formulierung, die offenlässt, ob sie etwas Vertrautes oder etwas Unheimliches bezeichnet, und ob die Vergangenheitsform vielleicht mit einer gewissen Wehmut auf einen zurückliegenden Endpunkt verweist. Weiterlesen

Es gibt eine Freiheit am Boden der Verzweiflung der ich mich gerne bediene. Interview mit Teresa Riemann

Die Vokalistin und Mehrfachinstrumentalistin Teresa Riemann bewegt sich in Zonen, in denen sich musikalische Sprache zwischen Klang, Wort, physischer Präsenz und Aspekten der Erinnerung immer wieder neu zusammensetzt und dabei nach Ausdrucksformen sucht, die sich festen Kategorien entziehen. Ihre Stücke entstehen aus Trommelfellen, Klaviertasten und Rückkopplungen, zugleich aus einem inneren Vokabular, das Weiterlesen

THIGHPAULSANDRA: Acid & Ecstasy

2000 debütierte der Waliser Tim Lewis, der als Thighpaulsandra aufnimmt, auf Coils Label Eskaton mit der „Some Head“-EP als Solokünstler – davor hatte er u.a. schon mit Julian Cope und u.a. Spiritualized gespielt, er gab auch den maßgeblichen den Anstoß dafür, dass Coil sich als Liveband neu (er)fanden. Sein kurz danach erschienenes Vollzeitalbum „I, Thighpaulsandra“ war eine Doppel-CD, die Gattungs- und Genresprengend war. Weiterlesen

DORA BLEU / PERIKLIS TSOUKALAS / CEDRIK FERMONT: The Dream Border

Das Album “The Dream Border” von Dora Bleu, Periklis Tsoukalas und Cedrik Fermont entfaltet eine fragile und zugleich verstörende Schönheit. Die Stücke bewegen sich zwischen akustischem Gitarren-”Folk” avantgardistischer Prägung, experimentellen Strukturen und den eindringlichen Texten von Dora Bleu, deren helle Stimme immer wieder die Kontraste zwischen Traum und Bedrohung verdeutlicht und wie aus einem Weiterlesen

PREFACES: Acqua Marina

Verlassene Pools, verblasste Fliesen, verwitterte Strandclubs – Orte, die gleichzeitig Vergangenheit und Gegenwart tragen, bilden das ästhetische Fundament von “Acqua Marina”. Das Album kreist um die vergilbten Spuren eines Lebensstils, der längst der Vergangenheit gehört oder vielleicht auch nie ganz da war, und bringt die unterschiedlichsten Erinnerungen hervor: persönliche, kollektive und höchstwahrscheinlich auch Weiterlesen

GRYKE PYJE: Crepuscular Elixirs

Schon die ersten Töne lassen keinen Zweifel daran, dass hier etwas eigentümlich Magisches angerührt wurde. Die Stücke auf Grykë Pyjes aktuellem Longplayer “Crepuscular Elixirs” wirken wie seltsame Gebräue, die zwischen Alchemie und verspielter Geräuschkunst changieren – rätselhaft, manchmal schroff und konsequent von einer schalkhaften Schrägheit durchzogen. Schon der Albumtitel deutet an, dass es um Elixiere geht, die von den beiden Klangkünstlern Jani Hirvonen und Johannes Schebler nicht im Weiterlesen

V.A.: The Dome Sessions

In Tripoli, im Norden des Libanon, liegt ein Ort, der zugleich Symbol für Fortschrittsutopien und für das Verharren in einem Zustand des Nichterfüllten geworden ist: der unweit des Meeres und der historischen Altstadt gelegene unvollendete Kuppelbau des Rachid Karami International Fair. Entworfen 1962 von dem hierzulande durch das Berliner Hansaviertel, v.a. aber durch die repräsentativen Bauten der brasilianischen Hauptstand bekannten Oscar Niemeyer als Teil eines Weiterlesen

Ich mag Dinge, die einem etwas sagen, ohne es direkt zu sagen. Interview mit Amanda Votta von Deep Fade und The Spectral Light

Amanda Vottas Musik ist ein Spiel mit Schatten, ein Herantasten an das Unausgesprochene. “I like things that tell you something without saying it outright” – dieser Satz, den sie im folgenden Interview beiläufig äußert, könnte als poetisches Manifest der amerikanischen Musikerin und Anthropologin gelesen werden, die in den vergangenen Monaten beeindruckende Alben ihrer beiden Projekte Deep Fade und The Spectral Light herausgebracht hat. Ihre Weiterlesen

ALI BALIGHI: Ghazale Vay

Manchmal wirkt Musik und Klangkunst am stärksten dann, wenn sie sich scheinbar widersprüchlicher Elemente bedient: Geräusche, die wie Naturereignisse klingen, treffen auf klassische Instrumente, die zugleich vertraut und verfremdet wirken. In Ali Balighis neuem Album “Ghazale Vay” wird genau dieses Spannungsfeld produktiv gemacht. Der aus dem Iran stammende Komponist und Klanggestalter, der derzeit in den USA ansässig ist, verbindet darin zusammen mit einem siebenköpfigen Weiterlesen

YAYOBA: Sensory Sensei

Bisweilen liegt die Besonderheit einer Musik weniger in großen Gesten als in der Art, wie kleinste Details ineinander greifen. Schon beim ersten Hören von Yayobas schon vor einigen Monaten erscheinenem Tape “Sensory Sensei” fällt auf, wie stark die einzelnen Bausteine nicht nur nebeneinanderstehen, sondern sich ineinander verschieben und so einen vielschichtigen, oft überraschenden Klangstrom Weiterlesen

RELAY FOR DEATH: Mutual Consuming

2019 erschien auf The Helen Scarsdale Agency unter dem Titel „On Corrosion“ eine Mammutveröffentlichung: Auf 10 in einer Holzbox  zu findenden Tapes versammelten sich Künstler von Alice Kemp über Himulkalt bis zu She Spread Sorrow mit je einem Album. Einige der Alben wurden in den letzten Jahren als Einzeltonträger wiederveröffentlicht, etwa der Beitrag von Gary Mundys sehr produktivem Projekt Kleistwahr oder das Weiterlesen

LAY LLAMAS: Hidden Eyes of a Ghost Jungle

Vieles spricht heute eher dagegen, musikalische Arbeiten gerade aus den experimentierfreudigeren Bereichen als Reise oder Klangreise zu beschreiben, v.a. aufgrund der Überstrapaziertheit solcher Begriffe im musikjournalistischen Diskurs. “Hidden Eyes of a Ghost Jungle”, die vor einigen Wochen erschienene LP des sizilianischen Projektes Lay Llamas, mutet allerdings tatsächlich wie ein musikalischer Reiseroman an, der einen langsam und Weiterlesen

ANIQO: The Call

Manchmal kündigt sich Veränderung nicht laut an, sondern flüsternd, als leiser Impuls, dem man nur folgen kann, wenn man bereit ist, alles Vertraute hinter sich zu lassen. “The Call”, der neue Song der Sängerin und Mehrfachinstrumentalistin Aniqo handelt von genau so einem Moment, einem inneren Aufbruch, der keiner klaren Richtung folgt, aber doch Weiterlesen

SALFORD ELECTRONICS: After The Rain

David Padbury hat sich jahrzehntelang am eher rabiaten Feld aus Power Electronics und Industrial abgearbeitet. Seit einigen Jahren nimmt er – im Projektnamen auf seine Heimatstadt verweisend – als Salford Electronics auf. Wies das 2017 auf Tesco veröffentlichte Album „Communique No. 2“ noch Spuren von Industrial auf, so näherten sich die zahlreichen (hauptsächlich digital verfügbaren)  Alben und Tracks allerdings stärker einem tendenziell dunklen, Weiterlesen